Historie

Das Projekt Opt4E baut auf zwei erfolgreich abgeschlossenen Forschungsvorhaben auf, die es sich zum Ziel gesetzt haben die Grenzen des Machbaren deutlich zu verschieben. Nachfolgend erfährst du mehr über Hochdrehzahl Antriebsstränge für Elektrofahrzeuge und welche Ergebnisse die Forschungsprojekte Speed2E und Speed4E erzielen konnten. Aus diesen Forschungsvorhaben leiten sich die Ziele des Forschungsvorhabens Opt4E direkt ab.

Speed2E (2014 – 2016)

Das Hauptziel von Speed2E bestand darin, das Potential von hochdrehenden E-Maschinen für den Einsatz in elektromechanischen Antriebssträngen zu erforschen. Eine Erhöhung der Drehzahl der elektrischen Antriebsmaschine birgt das Potenzial, die Leistungsdichte der E-Maschine sowie die Gesamteffizienz des Antriebs erheblich zu steigern. Die Herausforderungen durch die kinematischen Verhältnisse in einem elektromechanischen Antrieb mit derart hoher Drehzahl und die Forderung nach höchstem Schalt- und NVH-Komfort ließen jedoch damals deren praktischen Einsatz im Fahrzeug noch nicht zu. Zum damaligen Zeitpunkt betrug die max. Antriebsdrehzahl meist ca. 10.000 U/min, in Extremfällen sogar bis zu 15.000 U/min. Durch eine Verdreifachung der Motordrehzahl auf 30.000 U/min im Vergleich zum damaligen Standard könnten das Motorvolumen, die Motormasse und damit auch Kosten gesenkt werden. Somit wäre theoretisch eine signifikante Steigerung der Leistungsdichte, Effizienz und Wirtschaftlichkeit elektrifizierter Antriebsstränge möglich.

In der Untersuchung wurde ein Hochdrehzahl-Getriebe mit zwei Teilantriebssträngen konzipiert.

Aufbau des Speed2E Hochdrehzahlgetriebe [1]

Teilantriebsstrang 1 bestand aus einem zweistufigen Stirnradgetriebe. Für dieses Getriebe wurden insgesamt vier verschiedene Verzahnungsvarianten aufgebaut. Teilantriebsstrang 2 wurde als schaltbares, dreistufiges Getriebe konzipiert. Beide Stränge wurden über das Differential mit dem Abtrieb verbunden.

Prüfverzahnungen des Teilgetriebe 1 [2]

NVH-Untersuchungen mit Körperschall-Messtechnik wurden am Prüfstand durchgeführt, um eine optimale Geräusch- und Schwingungsdämpfung sicherzustellen [3]. Darüber hinaus wurde eine optimierte Schaltaktorik für das mehrgängige Getriebe entwickelt, um ein reibungsloses und effizientes Schalten zu gewährleisten.

Speed2E Gesamtantriebsstrang [1]

Die Ziele des Projekts wurden erfolgreich erreicht: Beide Stränge wurden mit 30.000 U/min betrieben und Schaltvorgänge konnten robust und ohne Beeinträchtigung der Zugkraft durchgeführt werden. Damit konnte das Hochdrehzahlsystem initial für den Einsatz in elektromechanischen Antrieben befähigt werden.


Speed4E (2018 – 2021)

Aufbauend auf den Ergebnissen des Speed2E-Projekts war das Ziel im Forschungsvorhaben Speed4E eine noch höhere Leistungsdichte durch eine weitere Drehzahlsteigerung zu erreichen. Ebenso sollte der Antriebsstrang so kompakt entworfen werden, dass er in ein Referenzfahrzeug (BMW i3) integriert werden kann.

Mit einer Antriebsdrehzahl von bis zu 50.000 U/min konnte die Leistungsdichte gegenüber dem Referenzfahrzeug (11.000 U/min) um ca. 90% erhöht werden! [4] Dabei setzte man ebenfalls wieder auf eine Doppel-E-Architektur mit zwei Teilgetrieben. Teilantriebsstrang 1 wird von einer asynchronen Induktionsmaschine angetrieben und besteht aus einem festübersetzen Planetenstirnradgetriebe. Für das Planetengetriebe wurden insgesamt drei verschiedene Verzahnungsvarianten ausgelegt (Referenz, Low-Loss, NVH-optimiert). Teilantriebsstrang 2 wird von einer permanent-erregten Synchronmaschine angetrieben, gefolgt von einem dreistufigen Stirnradgetriebe mit zwei Gängen, welche durch eine Klauenkupplung betätigt werden können. Die Leistungselektronik sitzt kompakt über den Antriebseinheiten und ist mit einer max. Schaltfrequenz von 42 kHz aus Silizium Carbid aufgebaut. Als Schmier- und Kühlmedium wurde ein wasserhaltiges Fluid verwendet, welches in einem ganzheitlichen Thermomanagement sowohl zur Schmierung des Getriebes, als auch zur Kühlung der E-Maschinen und der Leistungselektronik verwendet wurde.

Aufbau des Speed4E Forschungsantriebsstrangs [5]

Der Antriebsstrang und die Teilkomponenten wurden an verschiedenen Prüfständen getestet. Schwerpunkte war dabei u.a. das NVH-Verhalten und der Wirkungsgrad des Gesamtantriebs.

Aufbau des Speed4E-Systemprüfstands an der FZG [5]

Um das NVH-Verhalten des Getriebes zu ermitteln wurden Beschleunigungssensoren an markanten Getriebepositionen befestigt. In der folgenden Abbildung ist das Ergebnis der Untersuchung für das Planetengetriebe dargestellt. Mit steigender Drehzahl nimmt der generelle Beschleunigungspegel zu. Die Verzahnungsanregung durch das Planetengetriebe und dessen Eigenfrequenz bei ca. 11 kHz ist markant zu erkennen. Bei sehr hohen Drehzahlen zeigen sich zudem sehr dominante Anregungen des elektrischen Antriebs. Ähnliche Ergebnisse wurden auch bei Untersuchungen anderer Verzahnungsvarianten festgestellt [6].

Campbell-Diagramm für das Planetengetriebe mit Referenzverzahnung des Speed4E-Antriebsstrangs [6]

Das Ergebnis der Untersuchung zeigt, dass das System für sehr hohe Drehzahlen befähigt wurde, das Optimum allerdings zum aktuellen Stand der Technik eher im Bereich zwischen 25.000 und 30.000 U/min liegt.


Und nun? Opt4E! (2023-2026)

Die Drehzahl eines Forschungs-Antriebsstranges noch weiter erhöhen? Nein! Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass eine weitere Erhöhung der Antriebszahl nach aktuellem Stand der Technik nicht zielführend ist. Opt4E setzt auf die Synthese und Optimierung von elektrischen Antrieben und sucht nun ein Optimum bzgl. Key-Performance-Indikatoren abhängig vom zugrundeliegenden Antriebskonzept und den entsprechenden Fahrzeugdaten.

Quellen

[1] Idler, S.; Gwinner, P.; Stahl, K.; Koenig, R.; Rinderknecht, S. (2016). Innovative Super-High
Multiple Speed Concept for the Electrified Automotive Powertrain.
Fuerstenfeldbruck (Germany): Bayern Innovativ, Conference of Future Automotive
Technology.

[2] Gwinner, P.; Stahl, K.; Rupp, S.; Strube, A. (2017). Innovatives Hochdrehzahl-Antriebskonzept für hocheffiziente elektrische Fahrzeuge, ATZ, vol. 119, no. 3.

[3] Utakapan, T.; Kohn, B.; Fromberger, M.; Otto, M.; Stahl, K. (2018). Auswertung des Anregungsverhaltens eines mehrstufigen Getriebes, Forsch Ingenieurwes, vol. 82, no. 4, pp. 411–423, doi: 10.1007/s10010-018-0277-x.

[4] Schweigert, Daniel; Gerlach, Martin; Hoffmann, Alexander; Morhard, Bernd; Tripps, Alexander; Lohner, Thomas; Otto, Michael; Ponick, Bernd; Stahl, Karsten. (2020). On the Impact of Maximum Speed on the Power Density of Electromechanical Powertrains. Vehicles. 2. 365-397. 10.3390/vehicles2020020.

[5] Schweigert, Daniel; Morhard, Bernd; Otto, Michael; Stahl, Karsten. (2022). Results of the joint project Speed4E, efficiency and vibration behavior of the high-speed gearbox.

[6] Schweigert, Daniel; Morhard, Bernd; Oberneder, Florian; Pointner-Gabriel, Lukas; Otto, Michael; Stahl, Karsten. (2022). Speed4E: Simulative and Experimental Results on the Vibration Behavior of a High-Speed Planetary Gearbox